Nicht selten regen sich meine (sensiblen?) Kinder über (für mich gefühlte) Kleinigkeiten auf, weinen wegen scheinbarer “Nichtigkeiten”. Oder jemand kommt völlig aufgewühlt nach Hause und erzählt von einem Streit, an dem es selbst gar nicht beteiligt war, sondern nur beobachtet hat. 

Oder es hadert eins der Kinder mit einer Aufgabe oder einem Projekt, ist frustriert und gereizt, weil einfach nichts dabei so will, wie es soll und steigert sich (aus meiner Sicht) komplett hinein. Auch wenn es sich eigentlich schnell lösen könnte, einfach eine Pause machen, sich unterstützen lassen oder sogar manchmal auch einfach zu sich zukommen lassen könnte.

Was auch immer mal wieder vorkommt, sind so tiefgründige Fragen wie: „Warum haben eigentlich so viele Menschen so wenig zu Essen?”, „Warum sind manche Menschen so gemein?” Fragen, die sie lange beschäftigen und wirklich traurig machen.

Eins meiner Kinder beschäftigt sich gerade sehr damit, was im kommenden Jahr (und das Jahr darauf) auf ihn zukommt. Immer mal wieder kommen Sorgen hoch, ist er frustriert und das sogar, obwohl aus Erwachsenenschutz gar nichts soooo Dramatisches ansteht. Und ja, vermutlich würden andere Kinder nicht so sensibel auf das, was da kommt und vielleicht kommt, reagieren. 

Aber meine Kinder spüren viel, denken viel, fühlen viel. Und: Ich würde nicht sagen, dass deswegen meine Kinder zu sensibel wären.

Ganz im Gegenteil: Ich würde eher sagen, dass sie nicht verlernt haben, zu fühlen, weil sie sich sicher genug fühlen, auch ihre herausfordernden Gefühle spüren zu können und zu dürfen. 


Nicht jedes gefühlsstarke, weinende oder fühlende Kind ist besonders sensibel, zu sensibel oder hochsensibel.  

Mir ist an dieser Stelle eine kleine Unterscheidung wichtig:

Nur weil ein Kind emotional reagiert, vielleicht (phasenweise) viel weint oder mit etwas hadert, heißt das nicht automatisch, dass es besonders sensibel ist oder ein empfindsames Nervensystem hat.

Kinder fühlen. Und das dürfen – und sollen – sie auch.

Wut, Traurigkeit, Frust… – das alles sind ganz normale, gesunde Reaktionen auf Situationen, in denen etwas nicht so läuft, wie man sich das so vorgestellt hat. Und auch für Kinder, die grundsätzlich vielleicht sehr robust sein mögen, ist es wichtig, zu weinen und weinen zu dürfen. Frustriert oder sogar wütend zu sein und das auch zu dürfen. 

Und gleichzeitig gibt es Kinder, bei denen man merkt:

Da steckt mehr dahinter.

Sie reagieren feiner, früher oder auch intensiver, auch auf Dinge, die für andere kaum spürbar sind. Sie scheinen durchlässiger für das zu sein, was in ihrer Umgebung passiert und die Stimmungen um sie herum. Manchmal brauchen sie länger, um etwas zu verarbeiten, sind schnell überwältigt, sehr beobachtend, machen viele Verknüpfungen, auf die man selbst erstmal gar nicht unbedingt gekommen wäre.

Das sind oft die Kinder mit einem besonders fein eingestellten Nervensystem, bei denen (für uns gefühlt) die kleinsten Kleinigkeiten schon zu intensiven Gefühlen führen können: eine falsche Tellerfarbe, ein anderes Kind, das auch Recht haben will, kratzende Klamotten, eine Ungerechtigkeit oder einfach nur ein anderer Tonfall. Und “schon” wird das Kind weinerlich, aggressiv, nölig oder, oder, oder.

Was alle Kinder brauchen – sensibel oder nicht

Und doch gilt – egal, ob ein Kind besonders sensibles ist oder nicht: 

Für die emotionale Gesundheit ist es entscheidend, dass Gefühle da sein dürfen und gehört werden. Und das, ohne dass die Eltern oder andere Bezugspersonen wie ErzieherInnen oder LehrerInnen unmittelbar ins Analysieren oder Problemlösen rutschen.  

Mein erster Impuls in solchen Situationen…

Gerade in Momenten, in denen eins meiner Kinder mit besonders intensiven Gefühlen zu kämpfen hat, neige ich besonders dazu, innerlich sehr rational zu werden und ab in den Lösungsmodus zu schlüpfen. 

Ganz ehrlich: Ich glaube, dass das eine nicht unübliche, oft komplett automatische und somit unbewusste Schutzreaktion ist, um sich von intensiven Gefühlen anderer etwas abzugrenzen. Und dann möchte ich am liebsten einfach sowas sagen wie: 

„Du bist doch geschickt, das bekommst du hin. Und wenn du Hilfe brauchst, dann sagst du Bescheid und wir schauen, wie wir dich gemeinsam unterstützen können…. “ 

Alles ausgerichtet auf die Frage: „Wie können wir das lösen?“.

Weil: Wenn das Problem gelöst ist, ist mein Kind wieder ruhig und ich habe die Situation unter Kontrolle. Und alles ist gut. 

Oder? 

Warum ich lernen musste, mich besser zu regulieren

Mittlerweile stoppe ich diesen Impuls sehr häufig und versuche mich zu erinnern:

Es ist okay, dass er sich gerade Gedanken macht.
Es ist okay, dass es ihm schwerfällt, sich auf Neues einzulassen.
Es ist okay, überfordert zu reagieren, auch wenn ich es nicht verstehe und das Nölen anstrengend finde.

Und vor allem: Ich muss das jetzt nicht sofort alles für ihn lösen, nur damit mein Kind sich keine Sorgen mehr macht / es nicht mehr traurig ist…

Was ich stattdessen versuche

Ich versuche, in seiner Sorge wirklich bei meinem Kind zu bleiben, statt in meine üblichen Bewertungs- und Verurteilungsmuster über sensibles Verhalten, die ich selbst vermittelt bekommen habe. 

Und statt schon an den nächsten Schritt zu denken und was doch alles sinnvoll und praktischer wäre, versuche ich, präsent zu bleiben. Denn ich muss die Gefühle eines anderen Menschen (genauso wenig wie meine eigenen) direkt wieder in Ordnung bringen. 

Ich darf da sein. Mit meinem Kind. Präsent. 

Und vielleicht validiere ich noch das Erleben mit sowas wie: 

„Das klingt schön schwer, wenn du das so erzählst. Das nimmt dich ganz schön mit, dass du noch nicht weißt, wie das alles laufen wird, oder?“

oder

„Du machst dir da grad echt viele Gedanken, mmh?“

Das Schöne und irgendwie auch entlastende und entspannende für mich dabei ist: Ich weiß, die Lösung kommt (vielleicht mit ein wenig Unterstützung) oft früh genug von selbst – wenn mein Kind soweit ist. 

Ich kann also loslassen!

Aber eben nur, wenn ich selbst nicht in einen Schutzmodus wie Panik oder extreme Rationalität gerate und die Gefühle mit meinem Kind halten kann. 

Spricht: Ich “erlaube” ihm innerlich sozusagen, sich schlecht fühlen zu dürfen. Wütend zu sein, weil er sich das alles anders vorstellt. Nicht dass es eine Erlaubnis bräuchte, aber es hilft manchmal bei der eigenen Selbstregulation. Und die ist die Voraussetzung für all das!

Warum das Ganze?

Weil wir sonst unbewusst und in der Regel ungewollt vermitteln:  

„Wenn du traurig bist, musst du dich beeilen, wieder gut drauf zu sein.“
„Wenn du innerlich zu kämpfen hast und mit etwas haderst (Ungerechtigkeit, Anstrengung…), musst du dich schnell wieder zusammenreißen.“

Aber das Gegenteil ist hilfreich:
Das Gefühl aushalten zu können. Nicht wegdrücken. Nicht sofort umdeuten (das kann später immer noch passieren). Sondern einordnen und damit umgehen lernen. 

Warum gerade sensible Eltern oft schneller getriggert sind

Wenn wir selbst als Kinder und Jugendliche und vielleicht auch darüber hinaus immer wieder als zu viel, zu empfindlich, zu wild, zu… bezeichnet und empfunden wurden, wenn Gefühle als etwas schlechtes dargestellt und deswegen vielleicht sogar Bezugspersonen richtig sauer auf uns geworden oder völlig entnervt von uns gewesen sind, dann schwingen diese Erfahrungen mit, sobald unser eigenes Kind auf ähnliche Weise die Gefühle zeigt. 

Dann fühlen wir uns schnell überfordert, getriggert oder haben den Dran, alles an intensiven Gefühlen am besten sofort abzustellen. 

Nicht, weil wir hartherzig wären. Sondern, weil es in uns an etwas rührt, das selbst nie richtig gehalten wurde.

 

Sensibilität ist keine Einbildung

Ein sensibles Kind (und sensible Menschen generell) bilden sich ihre intensiven Gefühle nicht ein oder veranstaltet mit Absicht “ein Riesendrama”. Es hat tatsächlich ein Nervensystem, das auf Veränderungen, Reize (z.B. Geräusche, Temperaturwechsel) und emotionale Spannungen schneller und in der Regel auch intensiver reagiert. 

Das ist kein Defekt, sondern einfach eine andere Art, die Welt zu erleben – intensiver, durchlässiger, manchmal aber eben auch überfordernder. 

Und: Diese Art zu erleben bedeutet für das Kind selbst oft eine dauerhafte innere Anspannung und/oder Überforderung

👉 Das Kind fühlt also nicht nur „zu viel“ – es kann gar nicht anders, als mehr zu spüren.

Wenn wir das aber nicht einordnen können, kommen wir leicht zu Einschätzungen wie: 

„Sie ist einfach zu empfindlich.“
„Er macht schon wieder einfach nur Drama.“
„Sie muss wirklich mal lernen, sich zusammenzureißen.“

Aber genau solche Sätze und die Haltung dahinter (ob ausgesprochen oder auch einfach führen oft dazu, dass Kinder den Kontakt zu sich selbst verlieren – und damit (zumindest vorerst) auch ihre Fähigkeit, mit ihren Gefühlen gesund umzugehen.

Gefühle zu erlauben und zu fühlen, ist nicht immer leicht

Meine persönliche Empfindung ist, dass es für Menschen, die versuchen, ihre Gefühle nicht abkapseln oder wegzudrücken, in unserer Welt nicht immer leicht ist – selbst Freude wird (je nach Umfeld natürlich) auch gern mal mit abfälligen Bemerkungen quittiert und als übertrieben abgestempelt. 

Wer einfach nur normal traurig ist, ist empfindlich, muss also so schnell wie möglich wieder fröhlich sein. Und wer regelmäßige Gefühle empfindet und darüber spricht, ist nicht belastbar genug und schwach.

Und am liebsten würden wir unser Kind genau davor bewahren.

Aber Gefühle sind keine Störung. Sie sind ein Signal. Und nur die Signal-Leuchte auszuschalten, ändert an der zugrundeliegenden Ursache nichts.

Gefühle zu fühlen (egal wie intensiv) ist Stärke, nicht Schwäche

Gefühle zu durchleben – vollständig und von “vorn bis hinten” – bis sie von alleine verebben und damit auch verarbeitet werden können, ist emotionale Stärke.

Gefühle wegzudrücken, heißt im Grunde, vor ihnen zu kapitulieren. 

Klar, es ist schlicht erst einmal einfacher, sich nicht mit ihnen und ihrer Intensität auseinanderzusetzen – erst recht, wenn man keine Erwachsenen dabei hat (oder selbst als Kind da hatte), die einem dabei helfen oder geholfen haben. Denn ohne Unterstützung können Kinder nicht erleben, dass es okay und möglich ist, Gefühle zu durchleben und dass auf der anderen Seite keine Gefahr, sondern eben Verarbeitung und normal weitermachen warten! 

Aber wenn Gefühle nicht sein dürfen, nicht gefühlt werden dürfen, stauen sie sich auf und damit einher gehen dann oft sowas wie aggressives Verhalten, Rückzug, Ängste, Depressionen, Empathielosigkeit.

Kinder, die z.B. weinen, weil etwas wehgetan hat – emotional oder körperlich – oder wütend sind, sind also nicht „zu empfindlich“. Sie sind gesund und verarbeiten ihre Gefühle auf gesunde Weise.

Sensible Kinder und ihre Stärken

Weil der Alltag mit tatsächlich intensiver fühlenden Kindern sensiblen Kindern manchmal besonders herausfordernd ist, sehen wir häufig auch vor allem das Anstrengende: den Lärm, den Rückzug, das ständige Fragen, die Reizempfindlichkeit, die Wutanfälle, die noch schwer in konstruktive Bahnen zu lenken sind…  

Dementsprechend übersehen wir dann auch leicht andere Eigenschaften, die zum Vorschein kommen, wenn wir Menschen unsere Gefühle zulassen können:

  • ein besonderes Gespür für Stimmungen und dementsprechend auch Spannungen – sie merken schneller, wenn etwas in der Luft liegt.
  • besonders komplexes und kreatives Denken 
  • eine ausgeprägte Empathie und (sicherlich damit verbunden)
  • ein starkes Werteempfinden, also sowas wie einen inneren Kompass für Gerechtigkeit zum Beispiel und
  • eine starke Beziehungsorientierung 

Aber all das kann nur dann zur Geltung kommen, wenn man nicht ständig hört oder spürt: Du bist zu viel.

Denn: 

3 Gedanken zum Mitnehmen

1. Gefühle sind keine Gefahr. Weder für dich noch für dein Kind. Sie sind Wegweiser.

2. Verbindung entsteht auch in schwierigen Momenten. Nicht nur, wenn alles leicht ist und wir Spaß zusammen haben.

3. Du musst nichts perfekt machen. Es ist verständlich getriggert zu werden. Und: Du darfst daran wachsen und üben dich besser regulieren zu können. Gern auch mit anderen zusammen in meinem Eltern-Club.

Mein Impuls für dich zum Abschluss 

Was wäre, wenn du (nochmal mehr) versuchen würdest, intensive Gefühle und / oder Tränen und schwierigere Momente als Chance zur Verbindung zu sehen?

Und vielleicht magst du dir gerade mal vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn jemand in deinen schweren Momenten einfach da ist. Zuhört, präsent ist. Ohne gleich einen Rat oder eine Lösung zu präsentieren. Nur mit einem offenen Ohr und einem zugewandten Herzen. 

Genau das können wir für unsere Kinder sein. Ein echter sicherer Hafen. 

Deswegen meine Einladung an dich: 

Wenn dein Kind das nächste Mal wütend, traurig oder enttäuscht ist – konzentriere dich auf deine eigene Regulation und wenn du was sagst, dann vielleicht sowas wie z.B.

„Ich sehe, wie schwer das für dich ist. Ich bin da.“

Und dann? 

Erstmal nichts machen. Sondern einfach da sein. 

Kein Trösten und wegmachen müssen, kein Lösungsmodus, kein „wird schon wieder“. 

Nur Präsenz. Nur Verbindung.

Und: das ist manchmal alles, was wir Menschen brauchen:

Einen Menschen, der nicht (innerlich) davonläuft, wenn wir fühlen.

Unsere Kinder brauchen nicht immer (sofort) eine Lösung. 

Sie brauchen uns und unsere Regulation, um diese Stärke zu entwickeln, auch mit Unangenehmen in Kontakt zu bleiben und mit ihren Gefühlen umgehen zu lernen.

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