Meditieren war für mich Liebe auf den zweiten Blick.
Vermutlich habe ich so ungefähr jedes Vorurteil mitgenommen, das auf der Straße liegt. Einen entscheidenden Beitrag dazu hat ein großes Plakat an einem imposanten Jugendstil-Gebäude geleistet, an dem ich in meiner Kindheit jahrelang regelmäßig vorbeigekommen bin. Darauf abgebildet war ein älterer weißer Mann mit grauem Bart und “Eso”-Turban sowie ein Schriftzug zu lesen, der zum Meditieren einlud. Nichts gegen ältere Männer mit Bart oder Turbane.
Aber wie unser Gehirn so ist: Ein sofortiges Einordnen in eingetretene Spuren im Gedächtnis sorgte dafür, dass ich Meditieren nunmehr als Eso-Kram einsortierte. Eso-Kram und Menschen, die als Gurus gehypt werden, waren zu dieser Zeit für mich gleichbedeutend mit:
- Menschen brauchen eben etwas, dem sie hinterherrennen können, damit sie zumindest in einem Teil ihres Lebens Stabilität empfinden können.
- Das eigene Denken wird bei Guru-Verehrung ausgeschaltet (geht für mich so gar nicht!)
- Meditieren ist “Chichi” und hat keine wissenschaftliche Substanz
Hinzu kamen so wunderbare andere Vorurteile wie:
- Für’s Meditieren brauche ich ganz viel Zeit, kommt also sowieso nicht infrage (ich hatte immer schon eine gewisse Neigung, mir meinen Termin-Kalender vollzuknallen)
- Meditieren ist bestimmt total schwer und anstrengend – wieso sonst machen das nur diese alten Yogis in indischen Höhlen oder Mönche? (du merkst die Sammlung an Urteilen in diesem einen Satz, oder? Puuh)
- Ich bin eine absolute Denk-Maschine. Aber beim Meditieren soll man ja nicht denken, sondern damit aufhören und dann in irgendwelche transzendente Sphären eintauchen. Also glasklar, Meditation ist nichts für mich!
Mein Weg zur Achtsamkeit: Wie bin ich dazu gekommen, Meditation zu lieben?
Auf meinem Weg zur Achtsamkeit und Meditation haben zwei Dinge den Ausschlag gegeben: Ich bin auf Jon Kabat-Zinn gestoßen, den Begründer von MBSR. Was wohl irgendwann so kommen musste. Schon als Teenagerin von chronischer Migräne und Stress geplagt, habe ich früh damit begonnen, mich mit dazu gehöriger Literatur zu beschäftigen. Und so landete denn auch irgendwann das Buch “Gesund durch Meditation” von eben jenem Autor in meinem Bücherschrank. Ich habe es überflogen, aber so richtig ans Meditieren gewagt habe ich mich immer noch nicht.
Aber, aber: Mein Interesse an Yoga wurde geweckt, sodass immerhin meine Suche nach einer zu mir passenden Yoga-Art zu diesem Zeitpunkt begann. So hat Jon wohl tatsächlich auch dazu beigetragen, dass ich später meine Yogalehrer-Ausbildung gemacht habe.
Den zweiten Anstoß bekam ich durch ein Buch, das mir mein Mann damals gab. Anlass war unter anderem meine damalige Angst-Störung, wegen der ich auch in therapeutischer Behandlung war. Der Autor des Buches: ein Mönch, der unter starken Ängsten litt und es lange Zeit nicht aushielt zu meditieren. Für mich war sein Weg zur Meditation trotz extremen Hindernissen unheimlich inspirierend. Das Sahnehäubchen für mich Wissenschafts-Fan: Seine Zusammenarbeit mit amerikanischen Wissenschaftlern, die empirisch ergründen wollten, was es mit Meditation und ihren Auswirkungen auf das Gehirn auf sich hat.
Und jetzt wollte ich es wirklich wissen
Wollen wir etwas Neues wirklich lernen, braucht es auch die Umsetzung. Und genau damit habe ich bereits nach wenigen gelesenen Seiten begonnen.
Long story short – meine wesentliche Erkenntnisse aus dieser Lektüre:
Beide Punkte spielten und spielen mir immer noch vollkommen in die Hände. Ich glaube, so langsam wird immer klarer, warum ich Meditation liebe, oder?;)
Was ist nun eigentlich Meditation?
Eine Art Vertrautwerden mit dem eigenen Geist und damit verbundenen Gedanken und Gefühlen – so lässt sich Meditieren aus meiner Sicht gut erklären. Das gelingt meist am besten, wenn wir ein gewisses Level an Konzentration ermöglichen. Denn nur, wenn wir nicht in einer Art geistigen „Trägheits-Nebel“ versinken, können wir unseren Geist aktiv beobachten und vertrauter werden.
Wir können uns das vorstellen wie ein Gespräch mit einer Freundin: Nur wenn wir geistig wach genug sind, um wirklich zuzuhören, erfahren wir wirklich, was sie gerade beschäftigt und können vertrauter mit ihr werden.
Was sind die Vorteile von Meditation?
Sind wir vertrauter mit uns selbst, hat das diverse Vorteile:
- Eine perfekte Schulung in “präsent sein” – das Beste, was wir unseren Kindern geben können
- Wir wissen immer mehr, wann und warum Gedanken und Gefühle auftauchen
- Uns wird klarer, dass unser Geist ganz schön verrückte Spielchen spielen kann, was eine Menge Vorteile für die Bewertung diverser Alltags-Situationen hat
- So werden wir gelassener, schulen uns in Selbst-Empathie, und Angst- und Stress-Zustände können geringer ausfallen
- Höhere soziale Kompetenz: Denn wer geschult in Selbstwahrnehmung ist, kann mehr bei sich sein; so fällt es auch leichter, anderen gegenüber Empathie zu empfinden. Einschwingen auf andere fällt einfach leichter, wenn wir uns selbst dabei nicht verlieren.
- Das Ganze wirkt sich dann auch auf unseren Körper aus – auf Herz und Kreislauf und das Immunsystem.
Du siehst: Die perfekte Ausstattung für von allen Seiten geforderte Eltern!
Alles schön und gut: Aber wie kannst DU Meditieren lieben lernen?
Den klassischen Einstieg über die Atem-Meditation kennen viele. Du vielleicht auch schon? Allerdings liegt dort auch das größte Problem, das mir schon von so einigen geschildert wurde: Diese Variante ist für manche von uns – gerade zu Beginn – too much: Herzrasen, Abstumpfen oder totale Überforderung sind nur einige der Herausforderungen, mit denen Menschen bei der Beobachtung ihres Atems zu kämpfen haben. Meine Bitte an dich: Lass dir von solchen Dingen nicht die Neugier für die Meditation nehmen. Es gibt andere Wege…
3 Alternativen zur klassischen Atem-Meditation
Angeleitete Meditationen: Diese verbinde ich in meinen Anleitungen beispielsweise sehr gern mit einem kurzen Body Scan, sodass der Geist sich erst einmal “sammeln” kann und wir uns nicht mehr ganz so “all over the place” fühlen. Gerade Eltern von mehreren (Klein-)Kindern sind häufig in einem ständigen Multi-Tasking-Modus. Da gilt es erst einmal rauszukommen.
Bewegte Meditation: Dazu zählen beispielsweise die Geh-Meditation, aber auch formale Praktiken wie Tai Chi, Qi Gong oder Yoga. Letzteres war mein Einstieg in die Welt der Meditation. Hätte ich nicht damit begonnen, wäre mein System bei einer Atem-Meditation mehr als nur im Dreieck gesprungen.
“Meditation im Tun” ist meine Bezeichnung für diese Variante: Du hast sicherlich schon von Tee-Zeremonien gehört, von japanischer Kalligraphie oder auch von Mönchen, die beim Abwasch oder Gärtner meditieren. Dies sind Beispiele für diverse “Spielarten” der Meditation im Zen-Buddhismus, bei denen die Meditierende “im Tun” meditiert und das, was sie tut, besonders bewusst macht. Heißt, wenn du gut Stricken kannst, stricke. Aber auch nur das. Möchtest du unbedingt mal wieder Unkraut jäten: do it, but only that. Spielst du mit deinen Kindern? Spiele mit deinen Kindern! Ich denke, die Idee wird klar.;)
Meditation ist eine super Möglichkeit, um Gelassenheit zu üben.
Vielleicht hast du von den Vorteilen des Meditierens schon gehört. Aber bislang hast du dich einfach von soooo vielen Punkten abschrecken lassen? Schau mal, ob du das Thema Meditieren nicht einfach entspannter angehen magst. Meditation muss kein „Kampf“ sein. Statt dessen ist es eine super Möglichkeit, Gelassenheit zu üben.
Ich hoffe, ich konnte mit diesem kleinen Bericht über meinen Weg zur Achtsamkeit ein wenig dazu beitragen, dass dir Meditieren sympathischer geworden ist. Berichte gerne mal.
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